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„Ich will doch nicht meinen Partner erziehen - oder?!“ – Warum sich Mitteilen nichts mit Kontrolle in der Partnerschaft zu tun hat

„Du redest mit mir, als wär ich dein Kind …“
Vielleicht hast du diesen Satz schon einmal gehört – oder selbst gedacht.
Was wie ein Vorwurf klingt, berührt einen wunden Punkt in vielen Paarbeziehungen: alte Rollenmuster, die wir aus unserer Kindheit mitbringen.

 

Als psychologische Beraterin höre ich oft Sätze wie:
„Man kann seinen Partner doch nicht erziehen!“
Und doch ist es genau dieses Spannungsfeld – zwischen Nähe, Einfluss und Autonomie –, das viele Menschen in Beziehungen verunsichert.

In diesem Artikel zeige ich, wie sich klassische Erziehungsstile in Partnerschaften wiederfinden – und wie du durch bewusste Selbstwahrnehmung mehr Freiheit in dein Beziehungserleben bringen kannst.

 

Dabei gehe ich zuerst auf den Begriff "Erziehung" an sich ein und was man alles als Eltern falsch bzw. richtig machen kann, um die Entwicklung des eigenen Kindes zu fördern. Dies ist wichtig, da hier dadurch der Grundstein für die Kommunikation in der Beziehung gelegt wird. Deswegen meine Empfehlung an dich, diesen Part nicht zu überspringen.

Was ist Erziehung?

Unter Erziehung versteht man die bewusste und gezielte Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche. Damit will man deren Denken, Fühlen, Verhalten und Einstellungen im Sinne gesellschaftlicher Werte und Normen formen. (Mehr zum Begriff unter Wikipedia)

Formen der Erziehung

Stell dir vor, es ist 20 Uhr und dein Kind gehört ins Bett. Es liest jedoch ein Buch und möchte lieber der spannenden Geschichte folgen.

 

Es gibt nun vier verschiedene Erziehungsstile, die du anwenden könntest, um das Zubettgehen zu erreichen.

 

Der autoritäre Erziehungsstil gibt dem Kind ohne Wenn und Aber die klare Regel vor. Der Laissez-Faire Stil ist nachgiebig und überlässt dem Kind die Verantwortung. Der permissive Erziehungsstil deutet zumindest eine Regel an. Der autoritative Erziehungsstil gibt dir und deinem Kind den Raum für eine gemeinsame Entscheidung.

 

Im Idealfall verwenden die Eltern und andere Bezugspersonen des Kindes (Erzieher, Lehrer etc.) den Ansatz des autoritativen Erziehens. Denn hier geht man empathisch auf das Kind ein, versteht ihre Beweggründe und fördert ihre Fähigkeiten die eigenen Bedürfnisse spüren und kommunizieren zu können. Und zwar in einem Rahmen, der der Situation angemessen ist, so dass auch ein Gefühl für die Bedürfnisse der Mitmenschen entwickelt werden kann.

Erziehungsstile in der Kindheit wirken in die Kommunikation im Erwachsenenalter nach.
Hier siehst du alle vier Erziehungsstile in tabellarischer Übersicht.Jeweils mit Beispiel, damit du eine klare Vorstellung bekommst, was was ist.

Definition von Regeln im autoritativen Erziehungsstil

Hast du dich für diesen Erziehungsstil entschieden, würdest du deinem Kind zum Beispiel sagen:

 

"Ich sehe, dass du liest, obwohl es schon 20 Uhr ist. Ich bin besorgt, weil ich möchte, dass du morgen ausgeruht bist. Mir ist es wichtig, dass du genügend Schlaf bekommst. Kannst du das Buch weglegen? Morgen beginnt das  Wochenende, da kannst du gern länger lesen, wenn du magst?"

 

Dies entspricht dem Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation.(ausführlicher erkläre ich diese Kommunikationsart in dem verlinkten Artikel)

 

Doch da könntest du mir entgegnen, dass hier dennoch seitens des Elternteils eine Regel vorgegeben wurde. Und ja, das hast du Recht. Deswegen nun ein Beispiel, wie du mit deinem Kind gemeinsam eine Regel finden kannst.

 

1. Einbeziehung des Kindes bei der Definition der Regel (Partizipation):

Nicht: "Ab jetzt gilt 20 Uhr Schluss Punkt."

sondern: "Wir brauchen eine Regel, wann Schluss ist, damit du genug Schlaf bekommst. Was wäre eine gute Zeit für dich? Lass uns das gemeinsam besprechen."

Dein Kind fühlt sich dadurch ernst genommen.

 

2. Erkläre den Sinn hinter der Regel:

"Die Regelung der Schlafenszeit ist mir wichtig, da ich möchte, dass du auch am nächsten Tag wieder ausgeruht bist, und dadurch mehr Freude und Energie für alles hast."

Das Kind kann sich mit einbringen, was die Akzeptanz der Regel fördert.

 

3. Verbindlich, aber flexibel:

Grenzen zu setzen hat nichts mit autoritär zu tun, sondern zeigt deine Verantwortlichkeit gegenüber deinem Kind auf.

Dabei ist wichtig, dass Ausnahmen möglich sind und dass du die Regeln auf Richtigkeit überprüfst, denn dein Kind entwickelt sich und Situationen ändern sich.

 

4. Regeln positiv formulieren:

Ja, im deutschsprachigen Raum neigen wir dazu, zu sagen, was nicht erlaubt ist - statt was geht. Was allerdings den Fokus auf das Verbot lenkt. Deswegen machst du es so besser: " Es tut dir gut, 20 Uhr schlafen zu gehen."

 

5. Vorbild sein

Kinder ahmen nach, was ihnen vorgelebt wird, glauben jedoch was gesagt wird. (Vera Birkenbihl)

Deswegen achte darauf, dass du nur Dinge verbal vorgibst, die du auch in deinem Lebensstil verwirklichst. Beispiel: auch du erwähnst, dass du dich müde fühlst und dir deshalb eine Pause nimmst.

 

Fazit: autoritativ bedeutet "ich bin klar und liebevoll im Umgang mit dir."

autoritär hingegen drückt aus " ich habe das Sagen und du musst dieses umsetzen."

Der autoritäre Erziehungsstil unter Berücksichtigung der bewussten Selbstrealisation

Nun habe wir mit dem Kind eine Regel aufgestellt. Dabei haben wir  außer Acht gelassen, dass das Kind sein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse nicht verlieren soll.  Es ist also wichtig diese zu spüren, einschätzen, ansprechen und danach handeln zu können.

 

Somit muss man als Bezugsperson beachten, dass  alle Regeln als Orientierung anzusehen sind. Und die tatsächliche Situation entscheidend für das Verhalten des Kindes ist. Somit lernt das Kind, wann es sich selbst folgt und wann besser der erfahreneren Person.

Was bedeutet das Verhalten eines "rebellischen" Kindes?

Nun gibt es Kinder, die mit Widerstand - in der Fachsprache Reaktanzverhalten - auf eine Ansage reagieren. Dies passiert, wenn sie das Gefühl haben, dass das Geforderte nicht ihren eigenen Bedürfnissen gerecht wird. Das kann entweder daran liegen,

  • dass sie aufgrund fehlender Erfahrungswerte noch nicht die Weitsicht auf mögliche Folgen ihres Verhaltens haben,
  • dass ihr körperliches Bedürfnis ein anderes ist (kommt sehr häufig zu Tisch vor) oder
  • dass sie sich einfach überstimmt fühlen, da die Beweggründe für eine Anforderung nicht empathisch aufgezeigt oder eine Regel nicht gemeinsam aufgestellt wurde.

Sie zeigen mit ihrem Verhalten also nur ihr gutes Gespür für Fremdbestimmung, Authentizität und Gerechtigkeit.

Nimmt man ihnen dieses Gespür, werden sie auch als Erwachsene angepasst und "brav" funktionierend auftreten.

Wie du die Einsicht statt Gehorsam bei deinem Kind entwickelst

1. Fragen stellen, statt Antworten liefern:

"Was glaubst du, passiert wenn du heute wieder spät ins Bett gehst?"

"Wie hast du dich das letzte Mal gefühlt, als du später ins Bett gegangen bist, aber der Wecker trotzdem zur gewohnten Zeit klingelte?"

"Was meinst du, könntest du morgen besser hinbekommen, wenn du genügend Schlaf zum Ausruhen bekommen hast?"

 

Dadurch förderst du super die Fähigkeit der Selbstreflexion.

 

2. Dialoge auf Augenhöhe führen:

"Ich sehe, du möchtest weiterlesen. Mir ist es jedoch wichtig, dass du morgen nicht müde bist. Was können wir machen, damit unser beider Vorstellungen berücksichtigt sind?"

 

Dadurch lernen sie, das Konflikte normal sind und Lösungen durch Mitdenken und Respekt gefunden werden können.

 

3. Nicht manipulieren  - sondern ehrlich begründen:

nicht: " Wenn du jetzt ins Bett gehst, zeigst du mir, wie lieb du mich hast."

sondern "Wenn wir gemeinsam eine gute Lösung fürs Zubettgehen finden, zeigt das, wie sehr wir einander vertrauen und uns wichtig nehmen. Das finde ich schön, du auch?"

 

4. Widerstandsverhalten als Signal verstehen:

Spiegele das Verhalten deines Kindes ohne Wertung und frage nach, was ihm fehlt.

"Ich habe das Gefühl, dass du dich gerade nicht gutfühlst, weil wir über irgendetwas zu dieser Situation noch nicht gesprochen haben. Was meinst du, könnte es sein? Ich möchte, das wir beide eine Lösung finden, mit der wir uns gemeinsam gut fühlen können."

 

5. Sei authentisch - nicht perfekt:

Erlaube dir von deinen "Fehlern" zu erzählen und was du dadurch gelernt hast. So kann das Kind deine Erfahrungen als mögliche Auswirkungen seines eigenen Verhaltens besser einbeziehen.

 

Auch gestehe gegenüber deinem Kind ein, wenn du auf dem falschen Dampfer warst, dadurch lernt es, dass es nicht falsch ist und das auch Erwachsenen nicht alles gelingt.

 

"Ich merke an deinem Verhalten, dass ich dich gerade übergangen habe, weil ich mich durchsetzen wollte. Das tut mir leid. Ich möchte dir jetzt besser zuhören, so dass wir eine bessere Lösung finden können, okay?"

 

Fazit: Durch Anpassungen lernt das Kind, dass es dir durch Verhalten gefällt. Durch Einsicht hingegen lernt es, warum etwas sinnvoll ist und entscheidet sich leichter dafür, auch wenn der anfängliche Wunsch dadurch nicht vollumfänglich umgesetzt wird. So lernt dein Kind bei sich bleiben zu können, ohne die Anforderungen des Lebens aus den Augen zu verlieren.

Erziehung in der Partnerschaft?

Nun, da wir für diesen Austausch geklärt haben, was unter Erziehung zu verstehen ist, und welche Formen es gibt, möchte ich mit dir auf den eigentlichen Anlass des Blogartikels zurückkommen.

Nämlich auf die Frage: "Ist der Gedanke den Partner erziehen zu können" nicht überholt?

 

Mit "Erziehen" verbinden die meisten den autoritären Ansatz. "Ich habe die Macht dir was zu sagen, und du hast es gefälligst zu tun." Der bisherige Abschnitt hat dir gezeigt, dass dies nur eine Form der Erziehung ist.

Mit der autoritativen Erziehung lernt ein Kind, dass sich mitteilen richtig und wichtig ist. In einer Paarbeziehung geht es somit nicht darum, den anderen erziehen zu wollen, sondern sich im empathischen Miteinander offen austauschen zu können.

 

Die Gewaltfreie Kommunikation unter Berücksichtigung, dass auch die eigenen Bedürfnisse gefühlt, mitgeteilt und im Miteinander gut ausgeglichen werden sollten, ist auch im Erwachsenenalter eine Form der Kommunikation, die beibehalten werden sollte.

 

Hat man im Elternhaus nur die autoritäre Erziehung erlebt, tut man sich meist schwer, sich seinem Partner mitteilen zu wollen - dir auch? Womöglich drückt man sich deshalb vor einem offenen Austausch mit dem Partner.

Welche Stolpersteine können in der Kommunikation mit dem Partner auftreten?

1. du erinnerst dich nur an die Vorbilder deiner Kindheit:

Deshalb versuchst du Konflikte zu vermeiden. Hier steht die Annahme dahinter, dass es lieber harmonisch zugehen soll und das dies nur erreicht werden kann, wenn man lieber nicht darüber spricht. Dadurch bleibt jedoch das Unausgesprochene im "Raum" und die Folge wird sein, dass ihr euch missverstanden fühlt, was zur Distanz führt.

 

2. du glaubst, was du hörst und siehst:

Jeder nimmt die Welt individuell wahr und meint zu wissen, was Gesprochen und Getan wird.

Doch diese Wahrnehmung ist subjektiv verzerrt. So dass es wichtig ist, dass du abgleichst, was gerade bei dir ankommt. Statt: "Ich habe also was falsch gemacht?" besser: "Bei mir kommt an, dass du mich beschuldigst, dass ich nicht genug Rücksicht auf dich genommen habe. Ist es das, was du mir mitteilen wolltest?"

 

3. du erliegst deinen Emotionen:

Nimmt man die eigentliche Situation verzerrt war, spürt man sich, wie als Kind, zu unrecht behandelt und missverstanden. Passiert dies, definiert man sich über das eigene Verhalten und nimmt eine Wertung persönlich. Was wiederum das Aufkommen von Emotionen nach sich zieht. Dadurch antwortet man nicht angemessen.

Statt: "Ich bin wütend, weil du mich gerade ablehnst." Besser: "Ich fühle Wut in mir, weil ich verstehe, dass du mich ablehnst und mich das ganz traurig macht."

 

4. du hältst deine Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen für normal:

Dadurch verlangst du von deinem Partner, dass er sich ändern soll.

Statt: "ich wünsche mir, dass du mich nicht ablehnst." Besser: "Ich möchte nicht abgelehnt werden, weil es mich an Situationen von früher erinnert. Ich gehe aber davon aus, dass du das gar nicht sagst, stimmt's?"

 

Puh, das war bis hierher schon ganz schön viel Input und vielleicht dachtest du an der ein oder anderen Stelle, dass dies nicht machbar ist?!

Darum möchte ich dir nun noch aufzeigen, das es dennoch gelingen kann, dass du dich mit deinem Partner achtsam austauschen kannst.

Die Psychologische Reife - eine Qualität in der bewussten Selbstrealisation

Psychologisch reif zu handeln, bedeutet, die eigenen Bedürfnisse spüren und mit denen deines  Gegenübers so in Einklang bringen zu können, dass es für die Situation angemessen ist. Euer gemeinsames Ziel: 'Einander verstehen und miteinander gestalten'  kann als Priorität gelebt werden. 

 

Dafür braucht es ein Verständnis über das Zusammenwirken von Gedanken, Emotionen und Verhalten. Auch braucht es die Fähigkeit im Hier und Jetzt sein zu können, um das innere Erleben deuten zu können.(Nutze dazu die Achtsamkeitspraxis.) Dadurch werden keine früheren Erfahrungen, die dir weggetan haben, auf deinen Partner übertragen. Auch fällt dadurch weg, dass du die Vorbilder deiner Kindheit nachahmst. Und du kommst dadurch auch nicht in Versuchung überzogene Idealvorstellungen von einer Partnerschaft von euch beiden zu erwarten.

 

Kommunikation bleibt damit, was sie ist. Zuhören können und das eigene innere Erleben, sowie deine Vorstellungen und Wünsche mitteilen. Dadurch könnt ihr  die aktuell vorliegende Situation gemeimsam auf Augenhöhe und empathisch mitfühlend gestalten.

 

Das fühlt sich nach einem liebevollen Umgang innerhalb einer Beziehung an?

Würdest du dies deshalb gern können?

Dann melde dich doch bei mir. Und schildere mir im kostenlosen Erstgespräch deine / eure Situation.

 

Ich freue mich auf dich. :-D

 

Herzlichst Cornelia

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