Erziehen oder begleiten? Erklären oder Ansagen? In der Erziehung scheiden sich die Geister.
Deswegen lass uns das Thema Erziehung genauer unter die Lupe nehmen und den goldenen Mittelweg finden, damit sich ein Kind zu einem in sich ruhenden, geradlinigen und verantwortsvollen Menschen entwickeln kann.
Was ist Erziehung?
Unter Erziehung versteht man die bewusste und gezielte Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche. Damit will man deren Denken, Fühlen, Verhalten und Einstellungen im Sinne gesellschaftlicher Werte und Normen formen. (Mehr zum Begriff unter Wikipedia)
Formen der Erziehung
Stell dir vor, es ist 20 Uhr und dein Kind gehört ins Bett. Es liest jedoch ein Buch und möchte lieber der spannenden Geschichte folgen.
Es gibt nun vier verschiedene Erziehungsstile, die du anwenden könntest, um das Zubettgehen zu erreichen.
Der autoritäre Erziehungsstil gibt dem Kind ohne Wenn und Aber die klare Regel vor. Der Laissez-Faire Stil ist nachgiebig und überlässt dem Kind die Verantwortung. Der permissive Erziehungsstil deutet zumindest eine Regel an. Der autoritative Erziehungsstil gibt dir und deinem Kind den Raum für eine gemeinsame Entscheidung.
Im Idealfall verwenden die Eltern und andere Bezugspersonen des Kindes (Erzieher, Lehrer etc.) den Ansatz des autoritativen Erziehens. Denn hier geht man empathisch auf das Kind ein, versteht ihre Beweggründe und fördert ihre Fähigkeiten die eigenen Bedürfnisse spüren und kommunizieren zu können. Und zwar in einem Rahmen, der der Situation angemessen ist, so dass auch ein Gefühl für die Bedürfnisse der Mitmenschen entwickelt werden kann.

Definition von Regeln im autoritativen Erziehungsstil
Hast du dich für diesen Erziehungsstil entschieden, würdest du deinem Kind zum Beispiel sagen:
"Ich sehe, dass du liest, obwohl es schon 20 Uhr ist. Ich bin besorgt, weil ich möchte, dass du morgen ausgeruht bist. Mir ist es wichtig, dass du genügend Schlaf bekommst. Kannst du das Buch weglegen? Morgen beginnt das Wochenende, da kannst du gern länger lesen, wenn du magst?"
Dies entspricht dem Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation.(ausführlicher erkläre ich diese Kommunikationsart in dem verlinkten Artikel)
Doch da könntest du mir entgegnen, dass hier dennoch seitens des Elternteils eine Regel vorgegeben wurde. Und ja, das hast du Recht. Deswegen nun ein Beispiel, wie du mit deinem Kind gemeinsam eine Regel finden kannst.
1. Einbeziehung des Kindes bei der Definition der Regel (Partizipation):
Nicht: "Ab jetzt gilt 20 Uhr Schluss Punkt."
sondern: "Wir brauchen eine Regel, wann Schluss ist, damit du genug Schlaf bekommst. Was wäre eine gute Zeit für dich? Lass uns das gemeinsam besprechen."
Dein Kind fühlt sich dadurch ernst genommen.
2. Erkläre den Sinn hinter der Regel:
"Die Regelung der Schlafenszeit ist mir wichtig, da ich möchte, dass du auch am nächsten Tag wieder ausgeruht bist, und dadurch mehr Freude und Energie für alles hast."
Das Kind kann sich mit einbringen, was die Akzeptanz der Regel fördert.
3. Verbindlich, aber flexibel:
Grenzen zu setzen hat nichts mit autoritär zu tun, sondern zeigt deine Verantwortlichkeit gegenüber deinem Kind auf.
Dabei ist wichtig, dass Ausnahmen möglich sind und dass du die Regeln auf Richtigkeit überprüfst, denn dein Kind entwickelt sich und Situationen ändern sich.
4. Regeln positiv formulieren:
Ja, im deutschsprachigen Raum neigen wir dazu, zu sagen, was nicht erlaubt ist - statt was geht. Was allerdings den Fokus auf das Verbot lenkt. Deswegen machst du es so besser: " Es tut dir gut, 20 Uhr schlafen zu gehen."
5. Vorbild sein
Kinder ahmen nach, was ihnen vorgelebt wird, glauben jedoch was gesagt wird. (Vera Birkenbihl)
Deswegen achte darauf, dass du nur Dinge verbal vorgibst, die du auch in deinem Lebensstil verwirklichst. Beispiel: auch du erwähnst, dass du dich müde fühlst und dir deshalb eine Pause nimmst.
Fazit:
autoritativ bedeutet "ich bin klar und liebevoll im Umgang mit dir."
autoritär hingegen drückt aus " ich habe das Sagen und du musst dieses umsetzen."
Der autoritäre Erziehungsstil unter Berücksichtigung der bewussten Selbstrealisation
Nun habe wir mit dem Kind eine Regel aufgestellt. Dabei haben wir außer Acht gelassen, dass das Kind sein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse nicht verlieren soll. Es ist also wichtig diese zu spüren, einschätzen, ansprechen und danach handeln zu können.
Somit muss man als Bezugsperson beachten, dass alle Regeln als Orientierung anzusehen sind. Und die tatsächliche Situation entscheidend für das Verhalten des Kindes ist. Somit lernt das Kind, wann es sich selbst folgt und wann besser der erfahreneren Person.
Was bedeutet das Verhalten eines "rebellischen" Kindes?
Nun gibt es Kinder, die mit Widerstand - in der Fachsprache Reaktanzverhalten - auf eine Ansage reagieren. Dies passiert, wenn sie das Gefühl haben, dass das Geforderte nicht ihren eigenen Bedürfnissen gerecht wird. Das kann entweder daran liegen,
- dass sie aufgrund fehlender Erfahrungswerte noch nicht die Weitsicht auf mögliche Folgen ihres Verhaltens haben,
- dass ihr körperliches Bedürfnis ein anderes ist (kommt sehr häufig zu Tisch vor) oder
- dass sie sich einfach überstimmt fühlen, da die Beweggründe für eine Anforderung nicht empathisch aufgezeigt oder eine Regel nicht gemeinsam aufgestellt wurde.
Sie zeigen mit ihrem Verhalten also nur ihr gutes Gespür für Fremdbestimmung, Authentizität und Gerechtigkeit.
Nimmt man ihnen dieses Gespür, werden sie auch als Erwachsene angepasst und "brav" funktionierend auftreten.
Wie du die Einsicht statt Gehorsam bei deinem Kind entwickelst
1. Fragen stellen, statt Antworten liefern:
"Was glaubst du, passiert wenn du heute wieder spät ins Bett gehst?"
"Wie hast du dich das letzte Mal gefühlt, als du später ins Bett gegangen bist, aber der Wecker trotzdem zur gewohnten Zeit klingelte?"
"Was meinst du, könntest du morgen besser hinbekommen, wenn du genügend Schlaf zum Ausruhen bekommen hast?"
Dadurch förderst du super die Fähigkeit der Selbstreflexion.
2. Dialoge auf Augenhöhe führen:
"Ich sehe, du möchtest weiterlesen. Mir ist es jedoch wichtig, dass du morgen nicht müde bist. Was können wir machen, damit unser beider Vorstellungen berücksichtigt sind?"
Dadurch lernen sie, das Konflikte normal sind und Lösungen durch Mitdenken und Respekt gefunden werden können.
3. Nicht manipulieren - sondern ehrlich begründen:
nicht: " Wenn du jetzt ins Bett gehst, zeigst du mir, wie lieb du mich hast."
sondern "Wenn wir gemeinsam eine gute Lösung fürs Zubettgehen finden, zeigt das, wie sehr wir einander vertrauen und uns wichtig nehmen. Das finde ich schön, du auch?"
4. Widerstandsverhalten als Signal verstehen:
Spiegele das Verhalten deines Kindes ohne Wertung und frage nach, was ihm fehlt.
"Ich habe das Gefühl, dass du dich gerade nicht gutfühlst, weil wir über irgendetwas zu dieser Situation noch nicht gesprochen haben. Was meinst du, könnte es sein? Ich möchte, das wir beide eine Lösung finden, mit der wir uns gemeinsam gut fühlen können."
5. Sei authentisch - nicht perfekt:
Erlaube dir von deinen "Fehlern" zu erzählen und was du dadurch gelernt hast. So kann das Kind deine Erfahrungen als mögliche Auswirkungen seines eigenen Verhaltens besser einbeziehen.
Auch gestehe gegenüber deinem Kind ein, wenn du auf dem falschen Dampfer warst, dadurch lernt es, dass es nicht falsch ist und das auch Erwachsenen nicht alles gelingt.
"Ich merke an deinem Verhalten, dass ich dich gerade übergangen habe, weil ich mich durchsetzen wollte. Das tut mir leid. Ich möchte dir jetzt besser zuhören, so dass wir eine bessere Lösung finden können, okay?"
Fazit: Durch Anpassungen lernt das Kind, dass es dir durch Verhalten gefällt. Durch Einsicht hingegen lernt es, warum etwas sinnvoll ist und entscheidet sich leichter dafür, auch wenn der anfängliche Wunsch dadurch nicht vollumfänglich umgesetzt wird. So lernt dein Kind bei sich bleiben zu können, ohne die Anforderungen des Lebens aus den Augen zu verlieren.
Hast du Fragen zum Thema?
Hast du eine Idee davon bekommen, warum du dich manchmal innerlich zerrissen fühlst, wenn es darum geht, dich mitzuteilen?
Gern kannst du bei mir ein kostenloses Erstgespräch buchen, wenn du dein bisheriges Verhalten aufgrund der erlebten Erziehung ablegen möchtest.
Ich freu mich auf dich.
Herzlichst Cornelia.
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